Solarenergieinfrastruktur in Schwellenländern:

Gute Rahmenbedingungen für Institutionelle Investoren

Januar 20217 min readKlimafinanzierungEnergy, Emerging Markets
Foto von jplenio

Solarenergieinfrastruktur in sonnenreichen Schwellenländern hat sich zu einem ertragsgenerierenden Vermögenswert entwickelt, der genauso auf den Bedarf kommerzieller und industrieller (C&I) Kunden, zum Beispiel grosser multinationaler Unternehmen, zugeschnitten ist wie auf die Bedürfnisse institutioneller Investoren, die in grüne Infrastruktur mit stabilen langfristigen Cashflows investieren und ihr Portfolio diversifizieren möchten. Wir werfen einen genaueren Blick auf diese noch relativ junge Entwicklung und die Frage, warum dieses Segment erst jetzt richtig in Gang kommt.  

PHOTOVOLTAIK – DIE FAKTEN

GESCHICHTE: Die ersten PV-Solarzellen wurden 1954 von Forschern der Bell Laboratories entdeckt, als diese sich mit dem Einsatz von Silizium in Transistoren und Stromrichtern beschäftigten. Doch erst in den 1970er Jahren gab es mit ländlichen Telefonsystemen und Radiosendern die ersten gängigen erdgebundenen und netzunabhängigen Anwendungen. Im Jahr 2019 betrug die kumulierte installierte Nennleistung der weltweiten Photovoltaikanlagen 634 Gigawatt – 117 Gigawatt Leistung wurden in dem Jahr neu installiert. Zum Vergleich: 1 Gigawatt reicht aus, um etwa 300.000 Haushalte in den USA mit Strom zu versorgen.

TECHNOLOGIE: Eine Photovoltaikanlage ist ein elektrisches System, das aus mehreren sogenannten Arrays von PV-Kollektoren und anderen elektrischen Komponenten besteht, die benötigt werden, um Solarenergie in nutzbaren Strom für Endverbraucher umzuwandeln. Diese Komponenten können auf unterschiedliche Weise zu PV-Systemen für diverse Anforderungen zusammengefügt werden. Die interessanteste Konfiguration ist jedoch eine Solarenergieinfrastruktur, bei der das PV-System mit mindestens einer anderen Energiequelle auf gewerblichen Gebäuden und Industrieanlagen kombiniert wird. Die Arrays sind ein zusammengeschaltetes System von PV-Modulen, das als singuläre stromerzeugende Einheit funktioniert, und werden entweder auf einem Dach oder auf einer nahegelegenen Bodenhalterung montiert. PV-Anlagen sind eine «intermittierende» Energiequelle, da sie nur tagsüber Strom produzieren können. Aus diesem Grund bedarf es einer ausgeklügelten Technik, um diese Anlagen in eine Solarenergieinfrastruktur zu integrieren, die noch eine weitere Stromquelle sowie Speicherkapazität umfasst.  

Dank der modularen Bauweise von PV-Anlagen und anderen Komponenten lassen sich die Systeme jedoch problemlos erweitern, um die Kapazität zu erhöhen. Als direkte Energieumwandlungssysteme erzeugen PV-Systeme in einem einzigen Prozess und ohne bewegliche Teile Strom. Daher sind sie extrem zuverlässig und langlebig – und das bei minimalem Wartungsaufwand. Ihre Vielseitigkeit ermöglicht eine dezentrale Erzeugung – ein System, in dem viele kleinere stromerzeugende Systeme nahe am Verbrauchsort, manchmal sogar vor Ort, Strom erzeugen und so Verluste durch lange Übertragungswege vermeiden.

LANGSAME ANPASSUNG DER SOLARENERGIE

Bis vor Kurzem verhinderten einige Nachteile, dass Solarenergieinfrastruktur dort zum Einsatz kommt, wo sie am wirtschaftlichsten und unter ökologischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten am sinnvollsten ist. Dafür gab es mehrere Gründe, vor allem die im Vergleich zu anderen Stromerzeugungstechnologien hohen anfänglichen Investitionskosten, die Grösse der für eine nennenswerte Stromerzeugung benötigten Array-Fläche, die tatsächliche Sonneneinstrahlung am Wunschstandort und die Tatsache, dass die montierte, in Betrieb befindliche Solarenergieinfrastruktur ein empfindliches Energiesystem ist, das gut konzipiert und gesteuert werden muss, um sowohl eine unterbrechungsfreie Stromerzeugung als auch Sicherheit und Energieeinsparungen zu gewährleisten.

WARUM JETZT?

KOSTEN: Dank weitreichender staatlicher Förderung hat die Massenproduktion die Kosten für Solarkollektoren erheblich gesenkt und damit die anfänglichen Investitionskosten für PV-Systeme reduziert. Preislich wettbewerbsfähig ist Solarenergieinfrastruktur zudem durch einen vergleichbaren Kostenrückgang bei der Energiespeicherung geworden. Durch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Stroms aus PV-Anlagen in sonnenreichen Regionen mit Netzstrom oder Strom aus fossilen Brennstoffen ermöglicht die Einbindung von PV-Anlagen in den bestehenden Energiemix Energieeinsparungen und ist wirtschaftlich rentabel. 

BESCHAFFUNG: Im Zuge der wachsenden Nachfrage sind wichtige Komponenten inzwischen besser verfügbar geworden und können sogar über lokale Grosshändler bezogen werden. 

PLANBARKEIT: Bisher war die Solarenergie sehr unberechenbar und variabel. Durch den Einsatz von Energiemanagementsoftware (EMS) können jedoch Netzstabilität und kontinuierliche Leistung sichergestellt und gleichzeitig die Betriebskosten für die Wartung und den Betrieb der Anlage minimiert werden. Fortschrittliche Programmierung und eine Datenerfassung in Echtzeit ermöglichen eine automatische Anpassung des EMS an die Wetterbedingungen, die Entwicklung der Verbrauchsmuster oder ein verändertes Geräteverhalten, sodass die Gesamtleistung des Systems jederzeit maximiert werden kann. Intelligente Module ermöglichen Bedarfs- und Produktionsprognosen. Dadurch kann das Energiebedarfsprofil für den nächsten Tag antizipiert werden, sodass die Energiespeicherung und Generatornutzung entsprechend geplant werden können. Statistische Lernalgorithmen ermöglichen Optimierungen und reduzieren die Betriebsrisiken durch eine bessere Berücksichtigung der Alterung elektrischer Geräte (Solarkollektoren, Batterien). Diese Technologie ist sehr anpassungsfähig und belastbar und unabhängig von den gesteuerten elektrischen Geräten, dem Bedarf und dem Produktionsprofil. Dadurch eignet sie sich für die Solarenergieinfrastruktur in verschiedenen Regionen mit unterschiedlichen Konfigurationen. Mit ihrer Hilfe können Infrastrukturentwickler, -betreiber und -investoren viele Anlagen an unterschiedlichen Standorten beaufsichtigen, betreiben und instand halten. Im Zeitalter von Konnektivität und Globalisierung haben sich der Aufbau und Betrieb einer Solarenergieinfrastruktur in sonnenreichen Schwellenländern zu einem rentablen Geschäft mit kontrollierbaren technischen und betrieblichen Risiken entwickelt.

GROSSER SPRUNG FÜR SOLARENERGIE IN SCHWELLENLÄNDERN

Hinter der Energiewende in den westlichen Ländern stehen politische Entscheidungen. Allerdings gab es hier bereits ausreichend installierte Erzeugungskapazität in einem zentralisierten Stromverteilungssystem zu relativ geringen Kosten. Ausserdem waren die Regierungen ein wichtiger Stakeholder im Versorgungssektor und ein bankfähiger Partner. Die Tatsache, dass es bereits ein effizientes Verteilungsnetz gab, machte die Integration erneuerbarer Energien einfach. Durch die Einbindung in das Netz wurde das Problem der intermittierenden Stromerzeugung gelöst, während die Regierungen als verlässlicher Hauptsponsor diverse Subventionsprogramme auflegten.

Teile dieses Modells lassen sich auf Entwicklungsländer übertragen. Der grundlegende Kontext ist dort aber ein anderer. Private unabhängige Stromerzeuger (Private Independent Power Producers, IPP) können als Anlagenbetreiber agieren und zugleich Finanzierungen und Solartechnik nutzen, um den wachsenden Strombedarf der C&I-Kunden zu decken. Abhängig vom Zustand des Netzes können PV-Systeme entweder eingebettete Stromerzeuger sein – die das Netz nutzen, um Strom zu einem oder mehreren Kunden zu transportieren – oder netzunabhängige, autonom vor Ort tätige Erzeuger.

Dank der Wirtschaftlichkeit der Solarenergieinfrastruktur können in Schwellenländern Energy-as-a-Service-Geschäftsmodelle umgesetzt werden. Bei den Beteiligten handelt es sich um private Parteien, die ihre Entscheidungen auf der Grundlage wirtschaftlicher und technischer Erwägungen treffen – im Gegensatz zu Regierungen, die möglicherweise politische oder ideologische Motive haben. Bei diesem Modell besitzt der IPP die Solarstrominfrastruktur und betreibt diese gegen eine Gebühr. Obwohl in einigen Fällen Subventionen verfügbar sind, beschränkt sich die Rolle der Regierungen auf die Gestaltung des Regulierungsumfelds für die Unternehmen. Den privaten Akteuren bleibt es überlassen, bilaterale Verträge zu schliessen. Bei den C&I-Kunden handelt es sich um Blue-Chip-Unternehmen, grosse multinationale Konzerne und führende regionale Firmen, deren Kreditrisiko bewertet und durch verschiedene Massnahmen und Sicherheitsvorkehrungen reduziert werden kann. Zwischen dem C&I-Kunden und dem IPP, der die Rolle des Technikers, Betreibers und Kapitalgebers ausfüllt, wird ein langfristiger Abnahmevertrag (Power Purchase Agreement, Leasing Agreement) abgeschlossen. In Anbetracht der hohen Vorabinvestitionen, die für den Bau und Besitz einer solchen Infrastruktur erforderlich sind, finanzieren die meisten IPP ihren Betrieb und die Anlage, die zu einem ertragsgenerierenden Vermögenswert wird, über Drittinvestoren. Eigen- und Fremdkapitalinstrumente mit variablen und massgeschneiderten Konditionen können so gestaltet werden, dass sie den Risiko-Rendite-Erwartungen der Investoren entsprechen, die sich im Infrastrukturbereich engagieren möchten.

ANLEGERBEDÜRFNISSE WERDEN ERFÜLLT

DIVERSIFIKATION: Im andauernden Niedrigzinsumfeld zeigen sich institutionelle Investoren, insbesondere Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften und Staatsfonds, auf der Suche nach Rendite zunehmend interessiert an Infrastrukturanlagen. Das von den Vermögensverwaltern in dieser Anlageklasse verwaltete Anlagevermögen hat sich in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht (von USD 129 Mrd. auf USD 582 Mrd.)1. Gleichzeitig spielen die Schwellenländer eine immer wichtigere Rolle für die Weltwirtschaft. Prognosen zufolge wird ihr Anteil am weltweiten BIP bis 2030 auf 49% ansteigen, wobei allein Asien dann voraussichtlich 31% zum weltweiten BIP beitragen wird2. Mit starken makroökonomischen Fundamentaldaten, technologischem Fortschritt und erheblichen Verbesserungen im Regulierungsumfeld für Unternehmen hat sich Asien an die Spitze des investierbaren Schwellenmarktuniversums gesetzt. Und da immer mehr institutionelle Investoren in die Energiewende investieren möchten, ist die Berücksichtigung von Umwelterwägungen bei allen Anlageentscheidungen zum Standard geworden.

EINE LANGFRISTIGE LÖSUNG: Da die zugrundeliegenden Vermögenswerte Grundversorgungsleistungen erbringen, können Investitionen in Solarenergieinfrastruktur eine wichtige Rolle in langfristig ausgerichteten institutionellen Portfolios spielen. Die Anlageklasse bietet die Möglichkeit, attraktive Renditen bei langfristig stabilen Cashflows zu erzielen und das Investment auf die langfristigen Verbindlichkeiten des Investors abzustimmen. Ausserdem eignen sie sich zur Diversifikation traditioneller konjunktursensitiver Portfoliopositionen. Die Möglichkeit der Echtzeitüberwachung des Betriebs der PV-Anlagen bietet den institutionellen Investoren ein hohes Mass an Transparenz und erleichtert die Berichterstattung und Kontrolle.

NACHHALTIGKEIT: Zudem erfüllt eine verlässliche Stromversorgung ein Grundbedürfnis und ist ein wichtiger Motor für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Der lärm- und emissionsfreie Betrieb trägt auch zu guten Arbeitsbedingungen bei. Auch wenn es keine perfekte Stromerzeugungstechnologie gibt, zählt die Umwandlung von Solarenergie in Strom über PV-Systeme zu den wenigen Technologien, die keine betrieblichen CO2-Emissionen freisetzen. Damit ist dies eine sehr umweltfreundliche Technologie.

Der Autor

Vincent Bernard

Vincent Bernard gehört dem Business Development Team für institutionelle Investoren in Europa von responsAbility an. Zuvor war er bei einem Unternehmen, das in den 1980er Jahren Pionierarbeit auf dem Gebiet der Solarenergie leistete, für die Projektentwicklung von kommerziellen und industriellen (C&I) Solarprojekten in Sub-Sahara-Afrika verantwortlich. Vincent Bernard begann seine Karriere im Vertrieb eines europäischen, auf alternative Anlagen spezialisierten Asset Managers. Er engagiert sich für die Entwicklung von Anlagelösungen, die auf technischen Lösungen beruhen und reale Probleme angehen.