World Soil Day

Ein Wendepunkt für die Landwirtschaft

Dezember 20255 min readNachhaltige ErnährungAgriculture, Impact, Emerging Markets

Der UN World Soil Day steht dieses Jahr unter dem Motto „Healthy Soils for Healthy Cities“. Er erinnert uns daran, wie sehr unsere Zukunft vom Boden unter unseren Füssen abhängt. Über 95% der weltweiten Nahrungsmittelproduktion basiert auf gesunden Böden – doch Degradation, Erosion und der übermässige Einsatz von Chemikalien gefährden diese zentrale Ressource. Das ist nicht nur ein Umweltproblem. Es ist eine Krise für Ernährung und Gesundheit.

Nach einer Woche bei Produzenten in ganz Chile – Trauben, Mandarinen, Zitronen, Avocados, Haselnüsse und weitere Kulturen – wurde eine Botschaft immer wieder deutlich: Gesunde Böden sind die Grundlage widerstandsfähiger Ernährungssysteme. Von kleinen Familienbetrieben bis zu grossen Exporteuren zeigte sich überall: Böden mit hohem Gehalt an organischer Substanz (SOM) fördern robustere Pflanzen, höhere Erträge und bessere Qualität.

Die Wissenschaft bestätigt diese Beobachtung. Böden mit hoher SOM speichern mehr Wasser, verbessern den Nährstoffkreislauf und stärken die Vitalität der Pflanzen. Sie bringen zudem häufig nährstoffreichere Lebensmittel hervor. Zahlreiche Studien belegen: Pflanzen aus gesünderen Böden enthalten mehr essenzielle Mikronährstoffe, Antioxidantien und sekundäre Pflanzenstoffe.

Dieser Zusammenhang wirkt weit über die Landwirtschaft hinaus. Gut belegt ist, dass eine nährstoffreiche Ernährung die Gesundheit deutlich verbessert. Sie senkt das Risiko chronischer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, verschiedener Krebsarten, kognitiver Beeinträchtigungen sowie Erkrankungen, die mit Darmflora und Immunsystem zusammenhängen. Die Kette ist eindeutig: gesunde Böden → nährstoffreiche Lebensmittel → gesündere Menschen.

Gleichzeitig steigen die weltweiten Gesundheitsausgaben stark an. Sie erhöhten sich von rund 4,2Billionen USD im Jahr 2000 auf fast 9,8Billionen USD im Jahr 2022 (WHO und Weltbank). Dieses Wachstum übertrifft das globale BIP. Angesichts dieser Belastung wird klar: Investitionen in Bodengesundheit sind nicht nur eine ökologische Notwendigkeit – sie sind eine Strategie für die öffentliche Gesundheit.

Die Botschaft zum World Soil Day ist eindeutig: Wenn wir gesündere Menschen und widerstandsfähige Ernährungssysteme wollen, müssen wir beim Boden beginnen.

Die doppelte Herausforderung der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft muss eine wachsende Weltbevölkerung ernähren und gleichzeitig ihre Umweltwirkung reduzieren – und gesündere Lebensmittel produzieren. Doch die Produktion basiert weiterhin stark auf konventionellen Methoden: Monokulturen, intensiver Chemikalieneinsatz und hoher Wasserverbrauch. Das führt zu ausgelaugten Böden, Rückgang der Biodiversität und einer wachsenden Abhängigkeit von knappen Ressourcen.

Auch die globalen Ernährungsgewohnheiten spiegeln diese Probleme wider. Die meisten Menschen essen zu wenig Obst und Gemüse, um die Ernährungsempfehlungen zu erfüllen. Laut FAO führt das zu Mikronährstoffmangel und erhöht das Risiko ernährungsbedingter Krankheiten wie Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.1 Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach nachhaltig produzierten, nährstoffreichen Lebensmitteln. Bis 2050 könnte die weltweite Lebensmittelproduktion um bis zu 56% steigen müssen.2 Doch ein höheres Volumen allein löst das Problem nicht. Die zentrale Aufgabe lautet: ein Ernährungssystem schaffen, das produktiv, widerstandsfähig und ressourceneffizient ist – eines, das Böden regeneriert, Wasser spart, Biodiversität schützt und langfristige Lebensmittelsicherheit gewährleistet.

Die Grenzen der konventionellen Landwirtschaft

Der weltweite Nahrungsmittelbedarf wächst hauptsächlich aus zwei Gründen:

  1. Bevölkerungswachstum: Bis 2050 könnte die Weltbevölkerung 9,8 Milliarden Menschen erreichen.3

  2. Veränderte Essgewohnheiten: Steigende Einkommen erhöhen die Nachfrage nach ressourcenintensiven tierischen Produkten.

Gleichzeitig steigt das Bewusstsein für gesunde Ernährung, wodurch frisches, hochwertiges Obst und Gemüse gefragter wird.

Doch die moderne Landwirtschaft konzentriert sich weiterhin auf einige wenige Grundnahrungsmittel – Weizen, Reis, Mais, Soja, Kartoffeln. Diese liefern Energie, aber oft zu wenige Mikronährstoffe. Die globale Obst- und Gemüseproduktion bleibt laut FAO unterhalb der empfohlenen Menge. Um den weltweiten Bedarf zu decken, wären mindestens 400g Obst und Gemüse pro Person und Tag nötig – aktuell nicht erreichbar.4 Die Lösung liegt nicht nur in „mehr Produktion“, sondern in einer anderen Art der Produktion: mehr Vielfalt und mehr Obst und Gemüse.

Konventionelle Landwirtschaft setzt zudem stark auf Monokulturen, synthetische Dünger, Pestizide und grossflächige Bewässerung. Das steigert kurzfristig die Erträge, verursacht aber erhebliche Umweltschäden:

  • Bodendegradation: Chemische Dünger zerstören Bodenmikroorganismen und verringern die langfristige Fruchtbarkeit.

  • Verlust der Biodiversität: Pestizide schädigen Bestäuber und natürliche Nützlinge und belasten Gewässer.

  • Klimawandel: Industrielle Landwirtschaft verursacht bis zu 29% der globalen Treibhausgasemissionen (IPCC 2019).5

  • Wasserknappheit: Intensive Bewässerung übernutzt Wasserressourcen – besonders in trockenen Regionen.

Ohne grundlegenden Wandel ist die langfristige Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft gefährdet.

Regenerative Landwirtschaft als Lösung

Regenerative Landwirtschaft bietet eine überzeugende Alternative. Sie stärkt die Bodengesundheit, erhöht die Biodiversität und reduziert den Einsatz synthetischer Mittel. Ihr Fokus liegt auf langfristiger Stabilität und funktionierenden Ökosystemen – besonders wichtig für frisches Obst und Gemüse, die ein Grundpfeiler ausgewogener Ernährung sind.

Wesentliche Vorteile:

  • Bodenaufbau & CO₂-Speicherung: Höhere SOM verbessert Bodenstruktur, Wasserspeicherung und Nährstoffkreisläufe.

  • Weniger Chemie: Kompostierung, Zwischenfrüchte und integrierter Pflanzenschutz reduzieren den Bedarf an synthetischen Inputs.

  • Vielfältige Fruchtfolgen & Agroforst: Mehr Biodiversität, geringeres Krankheitsrisiko, bessere CO₂-Bindung.

  • Nachhaltiger Umgang mit Wasser: Mulchen, reduzierte Bodenbearbeitung und Regenwassernutzung erhöhen die Effizienz.

  • Höhere Nährstoffdichte & wirtschaftliche Resilienz: Regenerativ erzeugte Produkte erzielen oft Premiumpreise bei stabileren Erträgen.

Regenerative Systeme zeigen: Ökonomische Stärke und ökologische Nachhaltigkeit schliessen sich nicht aus – sie verstärken sich.

Lateinamerika – der Garten der Welt

Lateinamerika liefert über 16% der weltweiten Lebensmittelexporte (FAO 2022).6 Die Region verfügt über vielfältige Klimazonen, mehrere Erntezyklen pro Jahr und grosse natürliche Ressourcen. Damit ist sie ein zentraler Pfeiler der globalen Ernährungssicherheit und ein entscheidender Ort für die Transformation der Landwirtschaft.

Die Region steht jedoch vor Herausforderungen:

  • Abholzung und Bodendegradation

  • Wasserknappheit trotz grosser Wasserreserven

  • Steigende Klimarisiken für Produzenten, insbesondere Kleinbauern

Diese Herausforderungen erfordern Investitionen in skalierbare, nachhaltige Modelle. Viele Betriebe sind bereits auf dem Weg – aber der Wandel braucht Kapital, Know-how und marktorientierte Anreize.

Durch die Unterstützung innovativer Agrarunternehmen kann der Übergang zu nachhaltigen Praktiken beschleunigt, die regionale Ernährungssicherheit gestärkt und ländliche Wirtschaften unterstützt werden – und Investoren können sich in einem wachstumsstarken, zukunftsfähigen Markt positionieren.

Profilphoto Rik Vyverman
Der Autor

Rik Vyverman

Rik Vyverman Head of Sustainable Food Private Equity responsAbility Investments